RHEIN-SIEG JOURNAL - Freitag, 7. November 2008

 

 

Gelungenes Recycling: Das zu einer Feder gebogene Blech einer Cola-Dose gehört mittlerweile zu den beliebtesten Arbeitsutensilien der Spicher Kalligrafin Nicola Denuell. BILD: ANDREAS HELFER

Die Schreibfeder aus der Dose

Troisdorf - „Ich war ein Dose“, der Spruch trifft auf viele Gegenstände des Alltags zu, auf Blechspielzeug wie auf Aschenbecher oder Autokarosserien. Doch die Spicher Kalligrafin Nicola Denuell hatte eine besonders ausgefallene Recycling Idee: Sie schnitt ein Stück Blech aus einer Cola-Büchse und formte es zu einer Schreibfeder. Diese ist mittlerweile zu einem ihrer beliebtesten Arbeitsutensilien geworden. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich mit der „Schönschreibekunst“.
Schwungvoll und routiniert bringt Denuell mit unverkennbar persönlicher Handschrift feine und opulente Lettern zu Papier
mit der rotweißen Blechspitze ebenso wie mit Schwämmen, Bündeln von Zahnstochern oder eben auch mit konventionellen Federn.

Lebensphilosophie - Übung macht auch hier wie so oft den Meister: „Kalligrafle ist wie Eiskunstlaufen“, erklärt Denuell: Es sehe viel einfacher aus, als es ist. Das Schreiben bedeutet für sie aber weit mehr als däs stilvolle Fertigen von Karten, Gedichten oder großformatigen Buchstabengemälden. Sie hat die Kalligrafie zu einer Lebensphilosophie gemacht, die sich anhand zweier neuer Bücher nachvollziehen lässt.
„Tierisch krass Überlebenskunst im Alltag“ heißt ein Band, in dem sie vom Schönschreiben wie auch von skurrilen Alltagssituationen erzählt: von widerspenstigen Parkautomaten, dem Kampf gegen Pickel und Mitesser oder einer jungen Kursteilnehmerin, die sie fragte, ob sie ein „Emu“ sei: Zunächst überlegte Denuell, ob sie tatsächlich etwas mit dem gleichnamigen Laufvogel gemein habe, dann ging ihr auf, dass sie sich verhört hatte. Die 14-jährige Marie hatte ob ihrer bevorzugten schwarzen Kleidung gemutmaßt, Nicola Denuell könne ein „Emo“ sein, laut Jugendslang also ein „emotional übelst deprimierter Mensch“.
Zum Glück attestierte ihr Melisa (zwölf Jahre alt) im Gegenteil „immer heiter, immer fröhlich zu sein. Mit der zweiten Neuerscheinung legt die 46 Jahre alte Spicherin eine praktische Handreichung für alle Nachwuchskalligrafen vor mit zahlreichen Reproduktionen von Buchstaben und Zeichnungen und ausführlichen Erläuterungen. Auch in diesem Buch geht Denuell über die Kalligrafie an sich hinaus: „Schreiben heißt reflektieren“ lautet eine ihrer Überzeugungen, oder dass die „Handschrift der Spiegel der „Persönlichkeit“ sei. Gerade an Jugendliche richtet sich der Ratgeber. Viel wichtiger als cool zu sein und Moden hinterherzurennen, sei es, seine eigenen Ideen und einen eigenen Stil zu entwickeln ganz davon abgesehen, dass die Kalligrafie eine gute Rückzugsmöglichkeit aus dem stressigen Alltag biete—und sich die Techniken auch bestens für Liebesbriefe eignen.

Die Bücher Tierisch krass —Überlebenskunst im Alltag“ und „Überlebenskunst für Kalligrafen“ von Nicola Denuell sind im Eigenverlag erschienen und bei der Buchhandlung Kirschner zum Preis von zwölf und 22 Euro an der Hippolytusstraße 19 erhältlich.

 

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